Moving The Goalposts

„Moving The Goalposts“ (auch: shifting the goalposts oder raising the bar) ist eine rhetorische Taktik mit dem Bestreben, die Torpfosten einer Debatte (z.B. Regeln oder Inhalt) so zu verschieben, dass es unmöglich wird, das Ziel zu treffen. Diese Technik funktioniert auch in die umgekehrte Richtung: Die Torpfosten so zu verschieben, dass ein zuvor unerreichbares Ziel getroffen werden kann. 

Die Metapher stammt von Sportarten wie Fußball oder Hockey, bei denen ein bestimmtes, von Pfosten abgegrenztes Ziel getroffen werden muss, damit ein Team einen Punkt erhält. Die Grenzen dieses Ziels während eines aktiven Spiels zu verschieben bedeutet, einer Seite auf unfaire Weise Vor- oder Nachteile zu verschaffen. Ein „faires Match“ ist so nicht mehr möglich.    

Wie funktioniert es?

Wenn sich in einer Diskussion herausstellt, dass ein Argument oder ein Beleg zutreffend ist, sein Anerkennen aber ein Verlieren der Debatte/Eingestehen eines Irrtums mit sich bringen würde, verschiebt das Gegenüber einfach das Ziel. Egal, was man nun vorbringt, es wird einfach nicht akzeptiert und immer weitere Beweise/Quellen gefordert (vgl. Sealioning), neue Behauptungen aufgestellt, das Gegenüber herabgesetzt („Ad Hominem“) oder andere Schlüsse gezogen.

„Moving The Goalposts“ wird auch häufig im Kontext von Hassreden und verbalen Angriffen verwendet und mit „Tone Policing“ (dt.: Ton-Kontrolle) kombiniert. Wehrt man sich gegen eine Beleidigung oder einen Angriff, geht das Gegenüber nicht auf die Kritik ein, sondern verschiebt die Torpfosten der Debatte hin zu einer vermeintlichen Überreaktion bzw. dem Tonfall der beleidigten Person. Der Fokus liegt nun nicht mehr auf dem zu kritisierenden Angriff, sondern auf der Reaktion.

Ein paar Beispiele

Ein Paradebeispiel der Taktik lieferte seinerzeit die Diskussion um Barack Obamas Abstammung und damit Legitimation als Präsident:

A: „Barack Obama hat nie seine Geburtsurkunde veröffentlicht, weil er in Wirklichkeit gar kein US-Staatsbürger ist.“
B: „Doch, aufgrund dieser ganzen Vorwürfe hat er sie irgendwann veröffentlicht.“
A: „Das besagt gar nichts, die kann man leicht fälschen! Beweise mir mal, dass die echt ist!“

Oder ein allgemeines Beispiel, bei dem Person B sogar die „Mic-drop“-würdige Antwort von Person A kontert:

A: „Du kannst dich zu diesem Thema gar nicht kompetent äußern, davon hast du überhaupt keine Ahnung.“
B: „Naja, ich habe das Fach vier Jahre lang an der Universität studiert und einen Abschluss gemacht.“
A: „An der Uni lernt man doch sowieso nichts fürs Leben, sondern nur Quatsch aus dem Elfenbeinturm!“

Auf ein anderes aktuelles und wichtiges Thema, den menschengemachten Klimawandel bezogen, verlaufen viele Diskussionen beispielsweise so:

A: „Der Klimawandel ist doch gar nicht so schlimm, ich wäre erst besorgt, wenn es wirklich spürbare Auswirkungen gibt.“

B: „Aber die gibt es doch. Viele Extremwettersituationen in der letzten Zeit sind unter anderem auf den Klimawandel zurückzuführen. Außerdem gibt es Baumringe, Eiskerne und Bodenanalysen, die uns ganz klar zeigen, dass es noch niemals in der jüngeren Erdgeschichte so schnell so warm wurde.“

A: „Baumringe und Eiskerne sind doch indirekte Messungen, da sind viele Lücken in den Daten, wo die Wissenschaft einfach geraten hat.“

B: „Dann sieh dir die Aufzeichnungen der letzten 150 Jahre an, die sind nicht geraten. Und die zeigen auch eindeutig, dass seit der Industrialisierung die Durchschnittstemperatur rasant ansteigt.“

A: „150 Jahre sind doch gar nichts im Vergleich zur Erdgeschichte. Zeig mir Aufzeichnungen der letzten paar tausend Jahre, dann können wir weiterreden.“

In diesem Beispiel fängt das Derailing bereits an dem Punkt an, an dem Person A das schwer zu konternde Argument der Extremwettersituationen ignoriert und sich statt dessen auf die erwähnten Datenquellen konzentriert. Nachdem die Zweifel an diesen durch Person B eigentlich faktisch ausgeräumt sein müssten, verschiebt Person A die Torpfosten und fordert gleichzeitig auch etwas Unmögliches: Es gibt keine Aufzeichnungen der letzten paar tausend Jahre, das Thema ist weitaus komplexer als es hier versucht wird darzustellen. Trotzdem geht Person A durch das Verschieben der Pfosten als vermeintlicher Gewinner aus der Diskussion, der Ball liegt gefühlt bei Person B. In Wirklichkeit hat sich Person A jedoch nur durch einen Trick aus der Verantwortung gestohlen.

Was bewirkt die Strategie?

Eine Diskussion lebt immer auch von der Güte und Treffsicherheit der vorgebrachten Argumente. Wenn ein Argument einfach dadurch ausgehebelt werden kann, dass man die Torpfosten, Ziele und Regeln einer Debatte willkürlich verschiebt, besteht keine gemeinsame Basis mehr für einen gelungenen Dialog. Das eigentliche Ziel einer Debatte, einen gewissen Punkt sachlich und faktenbasiert auszudiskutieren, wird nicht erreicht.

Es herrscht auch keine Einigkeit mehr darüber, welche objektiven Kriterien an Argumente und Belege angelegt werden sollen, wenn eine Seite eigenmächtig entscheidet, die Torpfosten zu verschieben oder die Messlatte auf einmal höher anzulegen.

„Moving the goalposts“ ist daher eine mächtige Strategie um jedes faktenbasierte Argument auszuhebeln, indem die Kriterien ständig so verändert werden, dass das vorgebrachte Argument sie nicht erfüllt.

Ein Fußballtor auf Rädern
Durch das unfaire Verschieben der "Goalposts" der Diskussion wird die ernsthaft diskutierende Partei benachteiligt, weil jedes Argument damit ausgehebelt wird. (Bild: imgur/PD)

Warum ist sie so gefährlich?

Wie viele andere Taktiken der Desinformation arbeitet auch diese mit Ermüdung und Verunsicherung. Ermüdung, weil mit undurchsichtigen Manövern jegliche Anstrengung, gute Argumente und Quellen auszutauschen, zurückgewiesen wird und Verunsicherung, weil kein gemeinsamer Nenner für die Güte von Belegen mehr vorhanden ist.

Es handelt sich um eine ausgefeilte Technik, die von rhetorisch geschulten Menschen verwendet wird, und kann dazu führen, dass man sich im Gespräch unterlegen fühlt.

Für Außenstehende einer Diskussion, in der die Torpfosten ständig verschoben werden, entsteht zusätzlich ein völlig falscher Eindruck der Sachlage, besonders wenn sie selbst nur wenig Sachkenntnis in dem Thema besitzen. Durch den augenscheinlichen Gewinn der pfostenverschiebenden Partei „verliert“ auch die Gegenseite mitsamt ihren eigentlich validen Argumenten. In dem obigen Beispiel der Klimawandel-Leugnung bleibt letztendlich der Eindruck hängen, es gäbe wirklich keine gesicherten Erkenntnisse über das Klima. Desinformation wird damit aktiv gefördert.

Was tun, und was nicht?

Wie bei eigentlich jeder Taktik der Desinformation ist es wichtig, diese zu unterbinden, sobald man sie erkennt: 

  • Gemeinsame Basis einfordern: Welche Anforderungen an Belege und Quellen werden gestellt?
  • Wenn es nicht möglich ist, auf einen Nenner zu kommen, klar aussprechen, dass hier eine Taktik der Desinformation angewendet wird und das Gespräch notfalls beenden. Es ist schlicht nicht sinnvoll, Argument um Argument zu bringen, wenn das Gegenüber von vornherein nicht gewillt ist, darauf einzugehen.
  • In Gruppen oder auf Seiten sollten eindeutige Versuche, Torpfosten zu verschieben, von der Moderation ausgeblendet werden. Die Person ist damit nicht geblockt und reagiert womöglich im Extremfall aggressiv, sondern erhält nur einfach keine Antwort mehr und verliert wahrscheinlich irgendwann die Lust.

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