"Muddy the waters" oder "Flood the zone with shit"

Unter diesen Bezeichnungen versteht man eine Strategie der Desinformation, vor allem in den sozialen Medien, bei der gezielt die Glaubwürdigkeit von Bildern und Dokumenten, aber auch Personen des öffentlichen und politischen Lebens erschüttert werden soll.

Wie funktioniert es?

Es gibt verschiedene Methoden, angefangen von frei erfundenen Zitaten, die Politiker*innen in den Mund gelegt werden, und die dann als Sharepics hunderttausendfach verbreitet werden, bis hin zu wissentlich unbegründeten Fälschungsvorwürfen gegenüber Medien. Es kommt auch vor, dass das Netz mit manipulierten Fotos/Videos oder solchen, die in einem anderen Zusammenhang entstanden sind, wider besseres Wissen geflutet wird. Oder eine Aussage eines Politikers oder einer Journalistin wird absichtlich falsch verstanden.

Ein paar Beispiele

Im Wahlkampf 2021 kursierte die erfundene Meldung, dass die Partei “Die Grünen” plane, die Haustierhaltung angeblich aus Gründen des Klimaschutzes zu verbieten.

Die Falschmeldung wurde von größeren Medien zwar korrekt als Falschinformation eingeordnet, aber dennoch reproduziert, wenn auch als Frage. Da es sich bei dem Thema um ein emotional hoch besetztes handelt, bleibt die Schlagzeile hängen und die Information wird, wenn sie ohnehin in die eigene Erwartungshaltung passt, abgespeichert und verbreitet. Empörung klickt gut.

Die im Netz verbreitete Falschmeldung zum angeblichen Haustierverbot
Die im Netz verbreitete Falschmeldung zum angeblichen Haustierverbot
Screenshot aus der Stuttgarter Zeitung: Fordert die Kanzlerkandidatin wirklich ein Haustierverbot? – Sehr unglücklich als Frage formuliert.
Screenshot aus der Stuttgarter Zeitung: Fordert die Kanzlerkandidatin wirklich ein Haustierverbot? – Sehr unglücklich als Frage formuliert.

Mehr zu diesem Fall hat die Zeit in diesem Artikel von September 2021 zusammengefasst.

Es gibt auch ein aktuelles Beispiel:

In Deutschland gehen seit Mitte Januar insgesamt viele hunderttausend Menschen auf die Straße gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Ausgrenzung. Die Bilder dieser Kundgebungen zeigen beeindruckende Menschenmengen – und es würde manchen sicher gut in den Kram passen, wenn die Bilder gefälscht wären. Denn wie wir alle wissen: Bilder sind manipulierbar und als Belege mit Sorgfalt zu betrachten. 

Aus diesem Grund werden Fotos der Großkundgebungen als Fälschung bezeichnet, auch wenn es dafür in der Realität keinen Anlass gibt. Das Narrativ von gefälschten Bildern zu verbreiten reicht bereits aus, um Empörung auszulösen.

Der Faktenfinder der Tagesschau hat bereits im Januar diesen Jahres über dieses Phänomen berichtet

Tweet von Björn Höcke zu angeblicher Bildmanipulation
Tweet von Björn Höcke zu angeblicher Bildmanipulation

Was bewirkt die Strategie?

Als elaborierte Strategie der Desinformation werden hier mehrere Ziele verfolgt und auch erreicht:

  • Vertrauen in Repräsentierende von Politik und Gesellschaft wird zerstört
  • Durch emotional besetzte Themen wird auch eine emotional gefärbte Reaktion hervorgerufen (Wut, Empörung, Verachtung, Hass)
  • Darüber hinaus wird auch die Glaubwürdigkeit von Medien/Dokumenten erschüttert
  • Wenn diverse Versionen eines Ereignisses im Umlauf sind, wird letztlich auch das Vertrauen in die eigene Medienkompetenz erschüttert
  • Das Richtigstellen erfordert Zeit, Recherche und Kapazitäten, die nicht für andere, wichtige Arbeit zur Verfügung stehen

Warum ist sie so gefährlich?

Im Wesentlichen aus zwei Gründen. Zum einen für die Menschen, die die Lügen glauben (wollen). Sie werden in einem Weltbild bestärkt, in dem alle gegen sie arbeiten, ihnen schaden wollen und sie verachten.

Zum anderen – und das macht diese Strategie wirklich zu einer der wirkungsvollsten – schadet sie auch denen, die sie durchschauen. Die meisten Menschen haben den Drang, erkannte Fehlinformationen aufzuklären und richtigzustellen. Das geschieht teilweise im direkten (und teilöffentlichen) Dialog, wenn man z.B. unter dem von einem Facebook-Kontakt geteilten Sharepic diskutiert, sowie teilweise in Medienartikeln, die sich mit dem Phänomen beschäftigen.

Was tun, und was nicht?

Auf keinen Fall die Behauptung selbst reproduzieren/teilen, auch nicht mit einer “einordnenden” Einleitung. Wenn es zu Zwecken der Aufklärung notwendig ist, dann als Screenshot.

Nicht zur Originalquelle verlinken und den Beitrag nicht teilen. Man muss hier abwägen zwischen der Notwendigkeit der Aufklärung und der Tatsache, dass die Reproduktion eben immer noch eine Verbreitung darstellt, die dem ursprünglichen Aufklärungswillen zuwiderlaufen kann.

Nicht auf Diskussionen in sozialen Medien einlassen. Wenn möglich, einen Faktencheck zur Fälschung suchen und diesen posten. Wer bereits ein gefestigtes verschwörungsideologisches Weltbild hat, wird das natürlich nicht ernst nehmen – aber wer einfach durch das Statement empört ist, hat die Chance der Richtigstellung.

Wichtig

Diese Aktionen, vor allem das gezielte Missverstehen, “passieren” nicht einfach so. Es handelt sich nicht um Missverständnisse, resultierend aus Kommunikationsschwierigkeiten, wie man sie selber aus dem Alltag kennt.

Und man kann es auch nicht oft genug wiederholen: Es handelt sich auch nicht um Dummheit, fehlende Bildung oder Ähnliches, sondern es ist den Urhebenden vollkommen bewusst, dass sie lügen und eine Lüge verbreiten.

Widersteht deswegen dem Impuls, scheinbar “dumme” Aktionen und Statements zu verbreiten, um sich darüber lustig zu machen. Haltet euch vor Augen, dass genau das – Reichweite erzeugen – ein Teil der Strategie ist, und macht euch nicht zum unwillentlichen Helfer.

Meldet stattdessen die entsprechenden Aussagen und Bilder in den sozialen Medien als Fehlinformation und klärt über die Strategie auf. Desinformation lässt sich am besten bekämpfen, indem man ihre Mittel und Methoden transparent macht.

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