“Dogwhistling” - die “Hundepfeifen-Politik”
Bei dem sogenannten „Dogwhistling“ handelt es sich um eine Strategie, bei der in Redewendungen oder Symbolen Anspielungen und Interpretationen gemacht werden, die aufgrund ihres Vorwissens und/oder ihrer Einstellung nur gewisse Personen verstehen, während sie für Außenstehende harmlos klingen. Wie die Hundepfeife, die in ihrem speziellen Frequenzbereich für Menschen (Außenstehende) unhörbar ist und nur von Hunden (Eingeweihte) wahrgenommen wird.
Wie funktioniert es?
Entweder durch Vereinnahmung tatsächlich harmloser Symbole aus einem anderen Kontext oder durch doppeldeutige Formulierungen.
Antisemitische Narrative bedienen sich inzwischen einer Vielzahl scheinbar neutraler Wendungen, die als Umwegkommunikation für die Gleichgesinnten etabliert sind, semantisch aber niemals auf das Judentum bezogen sind. In der Ansprache werden die Begriffe und Symbole verwendet, und während die “Eingeweihten” sie erkennen, wirken sie für Außenstehende unverfänglich.
Ein paar Beispiele
2016 wurde Kritik um eine Karrikatur von Dieter Hanitzsch laut. Diese stellte im Rahmen der Kritik an den seinerzeit aktuellen TTIP-Verhandlungen eine Krake dar, die mit ihren Tentakeln die Welt umfasst.
Dieses Motiv ist, aus der Warte des Dogwhistling betrachtet, gleich auf mehreren Ebenen problematisch: Zunächst wird die Krake in der verkürzten Kapitalismuskritik gerne als Symbol für multinationale Konzerne verwendet. Da ist der Weg zur „Hochfinanz“, ebenfalls ein Codewort für die angebliche jüdische Weltverschwörung nicht weit. Dann trägt die Krake einen Zylinder in amerikanischen Farben und stellt mit den im Bild erwähnten „US-Konzernen“ eine Verbindung zu einem weiteren, sehr dominanten Verschwörungsnarrativ her, der „USRAEL-Connection“: Angeblich sollen die USA und Israel hinter den Kulissen der Weltpolitik eine großangelegte Verschwörung planen.
Ob nun letztendlich vom Autor so beabsichtigt oder nicht, diese Karrikatur nutzt antisemitische Klischees und reproduziert Ressentiments.
2017 spricht Björn Höcke von einer “erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad” und dem “Denkmal der Schande”. Die Doppeldeutigkeit des Genitivattributs sorgt für Diskussionen über die Interpretation des Gesagten: Ob es sich um ein „schändliches Denkmal“ oder ein Denkmal zur Erinnerung an eine Schande handelt, lässt der ehemalige Gymnasiallehrer, der sich dieser Doppeldeutigkeit durchaus bewusst ist, ebenso bewusst offen.
Was bewirkt die Strategie?
- Die Auseinandersetzung mit rassistischen oder antisemitischen Narrativen wird sabotiert. Kritiker*innen wird vorgehalten, als überspannte Tugendpolizei zu agieren, wenn vordergründig neutrale oder unverfängliche Begriffe als problematisch thematisiert werden
- Durch die gezielte Auswahl der verwendeten Umwegkommunikation wird die dahinterstehende Verschwörungsideologie auch für Gruppen anschlussfähig, die bei einer offenen Ansprache Vorbehalte hätten
- Das “Fenster des Sagbaren” (Overton-Window) wird verschoben, Vertreter*innen von verschwörungsideologischen, rassistischen und antisemitischen Positionen erscheinen durch die gewählten Begriffe als harmlos und mainstream-tauglich.
Warum ist sie so gefährlich?
Wenn die Dogwhistle gut gewählt wird, steht die Kritik im Ruf, “hysterisch”, absurd und vollkommen übertrieben zu sein. Die Verwender*innen der Begriffe und Symbole ziehen sich jederzeit darauf zurück, das Unterstellte nicht gesagt – und vor allem auch nicht gemeint – zu haben.
Dadurch gleicht das Aufklären und Kritisieren von Dogwhistling dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln. Gleichzeitig ermöglicht sie das ungestörte Verbreiten menschen- und demokratiefeindlicher Ideologie, da formal keine Volksverhetzung oder andere Delikte begangen werden.
Bei geschickt gewählter Dogwhistle wird der Kreis der “Eingeweihten” schrittweise vergrößert, da man nicht von Anfang an von eindeutigen Begriffen abgeschreckt wird.
Was tun, und was nicht?
- Aufklären, auch im Bewusstsein, dass eure Kritik mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Lächerliche gezogen, als übertrieben oder aus der Luft gegriffen dargestellt wird. Daraus folgt: Ihr solltet die Kritik mit Quellen belegen können
- Wird die Dogwhistle unwissentlich oder im guten Glauben übernommen, vermeidet es, Vorwürfe zu machen, sondern argumentiert sachlich und wohlwollend.
- Wichtig: Sensibilität für Begriffe und Symbole im politischen und gesellschaftlichen Diskurs
- Übernehmt möglichst keine Motive, ohne ihre Implikationen zu hinterfragen, auch wenn die entsprechenden Begriffe weit verbreitet sind.
Wenn ihr auf eine unbeabsichtigte Dogwhistle hingewiesen werdet, reagiert nicht mit direkter Abwehr, sondern nehmt die Kritik ernst und prüft sie. Es ist nie falsch, sich zu korrigieren und dazuzulernen. Gerade, wenn ihr zum Beispiel bei Demos und Social Media in die Öffentlichkeit geht, kann das schnell passieren – nutzt dann die Gelegenheit zur Aufklärung über diese Taktik. So haben alle einen Mehrwert.
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